Chronik des Wittener Mandolinen- und Gitarrenorchesters 1929 e.V.
Die Geschichte der Mandoline und Gitarre, die lange getrennte Wege gingen, vereinte sich Mitte des 19. Jahrhunderts, als beide Instrumente zunehmend gemeinsam gespielt wurden. Erste Mandolinenorchester entstanden zunächst in Italien und zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in Deutschland.
Am 17. Februar 1929 wurde in Witten der „Musikverein Harmonie“ gegründet. 22 junge Menschen beschlossen bei der Gründungsversammlung, ausschließlich „gute Musik“ zu pflegen. Da viele der Mitglieder damals arbeitslos waren, wurde täglich geprobt, und bald war ein Repertoire von mehr als 20 Stücken, darunter volkstümliche Weisen sowie Opern- und Operettenmelodien, einstudiert. Jährlich wurde mindestens ein eigenes Konzert veranstaltet, und das Orchester trat bei befreundeten Vereinen auf.
1939 musste der „Musikverein Harmonie“ aufgrund der politischen Umstände seine Tätigkeit einstellen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten die verbliebenen Mitglieder den Verein neu. Zu den fünf aktiven und sechs passiven Mitgliedern des Jahres 1946 gesellten sich rasch neue hinzu, sodass 1948 bereits 52 Mitglieder gezählt wurden. Da es noch kein neues Notenmaterial gab, spielte das Orchester zunächst die Stücke aus der Vorkriegszeit.
1951 trat das Orchester dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) bei, wirkte bei dessen Veranstaltungen mit und erhielt organisatorische und finanzielle Unterstützung. Das Repertoire wurde um italienische und französische Mandolinenmusik erweitert. Die Mitgliedschaft im DGB endete, als 1964 die Zupfmusikfreunde aus Bochum-Langendreer dem Orchester beitraten. Aus Anlass dieser Verschmelzung wurde der neue Name „Wittener Mandolinen- und Gitarrenorchester 1929“ gewählt.
Bis in die 1970er Jahre hinein wurde der Nachwuchs des Orchesters von den eigenen Spieler*innen ausgebildet. Mit der Gründung städtischer Musikschulen wurde Instrumentalunterricht jedoch auch breiteren Bevölkerungsschichten zugänglich. Einige Orchesterspieler*innen übernahmen Lehrtätigkeiten an Musikschulen in Witten und Hattingen und erweiterten das Repertoire um barocke und zeitgenössische Musik. Einige Mitglieder lehren auch heute noch an verschiedenen Musikschulen.
In den 1980er und 1990er Jahren prägten die Dirigenten Manfred Spielvogel und Reinhard Busch das Repertoire des Orchesters maßgeblich. Durch eine ausgewogene Kombination von Werken aller Epochen und Stilrichtungen erlangte das Orchester überregionale Bekanntheit. 1992 organisierte es erfolgreich das Landesmusikfest für Zupforchester im Wittener Saalbau. Seitdem nimmt das Orchester regelmäßig an Wettbewerben teil und konnte sowohl auf Landesebene als auch international Preise gewinnen, darunter 1997 beim „4th International Guitar Orchestra Competition“ in London.
Das Orchester unternahm auch regelmäßige Fahrten ins europäische Ausland, beispielsweise dreimal zum „International Festival of Music and Dancing“ auf der Isle of Man. Mehrfach fand ein Austausch mit dem „Ensemble des mandolines de Bigorre“ aus Südfrankreich statt.
Seit 1989 besteht eine enge Freundschaft mit dem „Mandolinenorchester Hohenmölsen e.V.“ aus Sachsen-Anhalt, die durch regelmäßige Besuche und gemeinsame Konzerte gepflegt wird. Eine besondere Tradition ist die gemeinsame Gestaltung der Jubiläumskonzerte alle fünf Jahre in Witten und Hohenmölsen.
Auch nach der Jahrtausendwende setzte das Orchester den eingeschlagenen Weg fort, das bestehende Repertoire zu bewahren und durch neue Werke zu erweitern. Zum 75-jährigen Jubiläum im Jahr 2004 komponierte der dänische Komponist Anthon Hansen die „Wittener Serenade“ für das Orchester. 2006 durfte das Orchester das Werk „Kontraste“ des Düsseldorfer Komponisten Jürg Baur beim „Eurofestival Zupfmusik 2006“ in Bamberg uraufführen.
Die Konzerte des Orchesters werden regelmäßig durch eingeladene Solist*innen aus verschiedenen Fachgebieten bereichert. So kombiniert das Orchester Zupfmusik mit Klavier, Flöte, Gesang oder auch gelesenen Texten. Ebenso bereichern Kooperationen mit spartenübergreifenden Kulturprojekten das musikalische Schaffen des Orchesters, wie 2006 beim Opernprojekt „Orpheus im Schacht“ und 2017 bei einer Inszenierung des „Faust“ durch die Projektfabrik Witten.
Die Jahre 2020 und 2021 waren stark von den Einschränkungen der COVID-19-Pandemie geprägt. Trotz der Herausforderungen zeigte das Orchester seine Anpassungsfähigkeit und Kreativität, indem es Online-Proben durchführte und so musikalisch aktiv blieb.
2022 markierte den lang ersehnten Neustart nach der Pandemie. Ron Busch trat in die Fußstapfen seines Vaters und brachte als Dirigent neue Impulse ein. Gleichzeitig begann das Orchester, seine Konzertaufnahmen im Internet zu veröffentlichen und die Zupfmusik einer größeren Zuhörerschaft zugänglich zu machen.
Heute besteht das Wittener Mandolinen- und Gitarrenorchester aus 19 aktiven Spieler*innen im Alter von 21 bis 85 Jahren. Das Repertoire umfasst Werke aus Barock und Moderne, Unterhaltungsmusik sowie Folklore. Die Mitglieder beteiligen sich aktiv an Veranstaltungen des Bundes Deutscher Zupfmusiker e.V. (BDZ) und nehmen an Lehrgängen sowie regionalen und überregionalen Musikfesten teil.
Mindestens einmal im Jahr veranstaltet das Orchester ein eigenes Konzert und wirkt auch gerne bei Konzerten anderer Musikgruppen mit.
Aktualisiert zum 95-jährigen Bestehen